Standort: Düsseldorf, Deutschland
+49 211 5579316
info@semrau-kommunikation.de

Klimagipfel von Glasgow: Hoffnungsträger e-fuels?

Sie sind nachhaltig, CO2-neutral und könnten – theoretisch – die fossilen Kraftstoffe komplett ersetzen: Teile der Bundesregierung und der Industrie setzen große Hoffnungen in e-fuels, synthetische Kraftstoffe. Die Erwartungen sind so hoch, dass Deutschland auf dem Klimagipfel von Glasgow die Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung zum Ausstieg aus der Verbrenner-Technik verweigerte. Clevere Verzögerungstaktik oder weise Entscheidung?

Emissionsfreie Fahrzeuge – wer zählt dazu und wer nicht?

Deutschland steht auf der Bremse: Insgesamt 31 Länder und 11 Automobilkonzerne verpflichteten sich vor wenigen Tagen auf dem Klimagipfel von Glasgow, bis 2013 in den führenden Märkten und weltweit bis 2040 aus der Verbrenner-Technik auszusteigen. Doch ausgerechnet die Auto-Nation Deutschland zückte im entscheidenden Moment die rote Stopp-Kelle – und unterschrieb das gemeinsame Abkommen nicht. „Deutschland wird die Erklärung zu „Zero Emission Cars“ heute nicht unterzeichnen“, hieß es stattdessen aus dem Bundesumweltministerium. Der Grund: Die strittige Definition dessen, was unter emissionsfreien Fahrzeugen zu verstehen ist. In einer Fußnote der Glasgower Erklärung wurde definiert, dass Fahrzeuge, die synthetische Kraftstoffe auf Wasserstoffbasis nutzen, nicht zu den emissionsfreien gehören sollen. Obwohl diese Haltung genau der Position des deutschen Bundesumweltministeriums und auch der von Delegationsleiter in Glasgow, Staatssekretär Jochen Flasbarth, entsprach, unterzeichnete dieser das Papier nicht. Denn vor allem Noch-Verkehrsminister Andreas Scheuer wollte sich die Option, Verbrennungsmotoren in Zukunft mit klimaneutralen Kraftstoffen auf Wasserstoffbasis zu betreiben, weiter offenhalten. So wolle man bis 2035 zwar nur noch Null-Emissionsfahrzeuge zulassen. Doch welche das im Einzelfall sein werden und ob Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, die mit sog. e-fuels betrieben werden, dazugehören solle, das sei regierungsintern umstritten. Auch VW und BMW folgten dieser Argumentation und verzichteten auf das Unterzeichen der gemeinsamen Erklärung.

Vor- und Nachteile der e-fuels

Wasser und Strom – das sind die Ausgangsmaterialien synthetischer Kraftstoffe, der e-fuels. Mit Hilfe der Elektrolyse wird aus Strom und Wasser Wasserstoff hergestellt und mit CO2 zur Reaktion gebracht. Das Ergebnis: Synthetisches Erdgas oder Benzin bzw. Diesel, je nachdem welches Reaktionsverfahren genutzt wurde. Die e-fuels sind CO2-neutral, aber nur dann, wenn das zur Reaktion benötigte CO2 direkt aus der Atmosphäre entnommen (über das sog. Direct Air Capturing-Verfahren) oder aber CO2 verwendet wird, das in Kraft- oder Stahlwerken als Abfallprodukt entsteht. Und natürlich muss der zur Herstellung von e-fuels erforderliche Strom aus Erneuerbaren Energien gewonnen werden, damit das Ganze CO2-neutral bleibt. E-fuels sind also grundsätzlich eine vielversprechende Sache: Statt fossiler könnten Verbrennerfahrzeuge synthetische Brennstoffe verbrennen, die CO2-neutral erzeugt wurden. Der konventionelle Verbrennungsmotor wäre auf diese Weise nachhaltig und damit rehabiliert. Außerdem haben e-fuels noch einige weitere Vorteile:

  • Kein Aufbau neuer Tank-Infrastruktur nötig: Das schon vorhandene Tankstellennetz könnte weiterhin zur Versorgung der Autofahrer genutzt werden.
  • Die Herstellung von Energie und ihre Nutzung könnten voneinander abgekoppelt werden. Mit Hilfe der e-fuels könnte überschüssiger Strom, der sich aus der stark schwankenden Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien ergibt, als synthetischer Kraftstoff gespeichert werden.
  • Laut Untersuchungen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) lassen sich synthetische und fossile Kraftstoffe gut mischen. Durch das Hinzufügen von synthetischem zu fossilem Kraftstoff könnte deshalb die CO2-Bilanz des Kraftstoffs verbessert werden.
  • E-Fuels könnten theoretisch für alle Fahrzeuges mit Verbrennungsmotor genutzt werden – auch für die 47 Mio. allein in Deutschland zugelassenen Exemplare, die es heute schon gibt. Im Flug-, Schiffs- und Schwerlaststraßenverkehr könnten e-fuels ebenfalls eingesetzt werden.

Serienreife? Erst in ferner Zukunft

Leider sind e-fuels derzeit noch weit von der Serienreife entfernt. Ihr Wirkungsgrad liegt zwischen 10 und 20 Prozent, Versuchsanlagen sind nicht standardisiert und zu klein, Elektrolyse-Prozesse sehr energieintensiv. Der Einsatz in normalen PKWs gilt derzeit als unwahrscheinlich. Dennoch laufen die Erprobungen für synthetische Kraftstoffe auf Hochtouren, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Auch Vertreter der Mineralölindustrie sind mit im Boot. Allerdings: Vor 2030 werde man wohl keine marktrelevant großen Mengen anbieten können, meint Shell. Und die aktuelle Entwicklung zielt eher auf den Transport, auf den Einsatz in Flugzeugen und Schiffen, für die große Akkus ohnehin ungeeignet wären. War es also richtig, für die Hoffnung auf e-fuels, die irgendwann – vielleicht – ausgereift, preislich vertretbar und in großen Mengen herstellbar sein könnten, heute auf die Unterzeichnung der Glasgower Erklärung zu verzichten?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert