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Faktencheck: Das bedeutet der Notfallplan Gas

Die Bundesregierung hat die Frühwarnstufe des sog. Notfallplan Gas ausgerufen. Aber was wird in diesem Plan geregelt? Was bedeutet das für Unternehmen und private Verbraucherinnen und Verbraucher? Welche Folgen hätte ein Lieferstopp? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Antwort auf drohenden Gas-Lieferstopp: Wirtschaftsminister ruft Frühwarnstufe aus

Während in der Ukraine weiter Krieg herrscht, werden dessen wirtschaftliche Folgen auch in Deutschland immer sichtbarer. Die hierzulande benötigten Gasmengen werden einerseits kurzfristig an den europäischen Energiehandelsplätzen, andererseits aber vor allem durch langfristige Bezugsverträge kontinuierlich aus verschiedenen Herkunftsländern beschafft. Russland ist auch ohne Nord Stream 2 der mit Abstand größte Erdgaslieferant Deutschlands. Rund 56,3 Mrd. Kubikmeter Gas flossen 2020 durch andere Pipelines von Russland in die Bundesrepublik. Mehr als die Hälfte der gesamten Gasimporte stammen damit aus Russland. Diese Versorgung könnte jetzt in Gefahr sein. Nach der Drohung aus Moskau, die Gaslieferungen einzustellen, sollte der Westen sich weigern, seine Rechnungen in Rubel zu bezahlen, hat Wirtschaftsminister Habeck nun die Frühwarnstufe nach der Gasverordnung ausgerufen. Es drohe ein Lieferstopp, auf den man sich vorbereiten müsse, begründete Habeck diesen Schritt. Wenige Stunden später kündigte der Kreml aber überraschend an, dass man zunächst einmal eine allmähliche Umstellung auf die heimische Währung anstrebe. Russland wird also – vorerst – kein Gas-Embargo gegen Deutschland verhängen. Trotzdem werden Regierung und Gasversorgungs-Unternehmen jetzt weitere Vorsorge treffen, um in Fall einer Eskalation seitens Russlands gewappnet zu sein. Was also ist der Notfallplan Gas und was bedeutet die Ausrufung der Frühwarnstufe?

Was ist der Notfallplan Gas?

Der Notfallplan Gas ist eine Form von Maßnahmenkatalog, an den sich die Bundesregierung hält, wenn eine Verschlechterung der Gas-Versorgung droht. Die EU-Erdgas-Versorgungssicherheits-Verordnung (kurz: SoS-VO) sieht im Fall von Versorgungskrisen insgesamt drei Krisenstufen vor: 1. Frühwarnstufe, 2. Alarmstufe, 3. Notfallstufe. Welche der einzelnen Krisenstufen ausgerufen werden, ist abhängig vom Schweregrad und von der Wahrscheinlichkeit der Störung, den erwarteten ökonomischen und technischen Auswirkungen und der Dringlichkeit der Störungsbeseitigung auf nationaler Ebene.  Ausrufen können diese Stufen die einzelnen Mitgliedsstaaten. Im zuletzt 2019 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz veröffentlichten Notfallplan Gas werden die Aufgaben und Rollen, aber auch die Krisenkoordination und -kommunikation von Erdgasversorgungsunternehmen, gewerblichen Gaskunden und Behörden beschrieben, die diese bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben erfüllen müssen.

Stufe 1: Frühwarnstufe ist Warnsignal und Appell zur Vorsorge

Am heutigen Mittwoch hat das Bundeswirtschaftsministerium die Frühwarnstufe ausgerufen. Folglich wurde ein Krisenstab eingerichtet, dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums, aber auch Vertreterinnen und Vertreter der Energieversorgungs-Industrie angehören. Sie beobachten die Versorgungslage kontinuierlich. Außerdem werden die Betreiber der Gasleitungen und Gasversorger dazu verpflichtet, regelmäßig die Lage für die Bundesregierung einzuschätzen. Der Staat greift noch nicht ein. Allerdings setzen Gashändler und -lieferanten, Fernleitungs- und Verteilnetzbetreiber sog. „marktbasierte“ Maßnahmen um, damit die Gasversorgung aufrechterhalten werden kann. Dazu gehören u. a. die Nutzung von Flexibilitäten auf der Beschaffungsseite, der Rückgriff auf Gasspeicher und die Optimierung von Lastflüssen. Die Gasversorger müssen sich in der Frühwarnstufe aber auch auf den Notfall vorbereiten und dazu Pläne entwickeln, wie im Fall der Fälle Gas gespart werden kann. Nach Angaben der Bundesnetzagentur ist die Frühwarnstufe als eine Vorsorgestufe anzusehen, in der jeder – Verbraucherinnen und Verbraucher, die Industrie und der Staat – angehalten ist, über seinen Gasverbrauch nachzudenken und Gas zu sparen.

Stufe 2: Erhebliche Verschlechterung der Gasversorgungslage

Die Alarmstufe würde dann ausgerufen, wenn eine Störung der Gasversorgung oder eine außergewöhnlich hohe Gas-Nachfrage vorliegt. Diese würde zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führen. Der Markt wäre aber noch immer in der Lage, die Störung oder Nachfrage mit Hilfe eigener Maßnahmen zu bewältigen, ohne dass die Regierung eingreifen müsste.

Stufe 3: Abschaltung der Unternehmen nach bestimmten Kriterien

Um die Notfallstufe zu verhängen, müsste eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas vorliegen, die durch Maßnahmen des Marktes allein nicht mehr abgefangen werden könnte. Jetzt wäre die Bundesregierung an der Reihe, bei unmittelbarer Gefährdung oder Störung der Energieversorgung die Deckung des lebenswichtigen Bedarfs an Energie sicherzustellen. Dazu würde auch ein besonderer Schutz für bestimmte Gas-Kundengruppen zählen. Die Belieferung dieser geschützten Kunden (u.a. grundlegende soziale Dienste wie Krankenhäuser, stationäre Pflege- und Betreuungseinrichtungen sowie Polizei, Feuerwehr, Bundeswehr etc., private Haushalte, bestimmte kleine und mittlere Unternehmen oder Fernwärmeanlagen, die geschützte Kundengruppen mit Wärme beliefern, einzelne Gaskraftwerke mit hoher Bedeutung für die Stromversorgung) hätte Vorrang vor der Versorgung anderer Gasverbraucher. Weitere Maßnahmen wären dann: Abschaltung von Industriekunden, Anordnungen, den Gasverbrauch zu reduzieren oder eine Anordnung zur Nutzung von Strom, der nicht durch Gas erzeugt wird. Im Rahmen der Notfallstufe müsste die Bundesnetzagentur (BNetzA), konkret ein großer Krisenstab aus Netzagentur-Experten, schließlich entscheiden, welche Unternehmen noch beliefert würden und welche nicht. Nach eigenen Angaben sammelt die Behörde aktuell Daten über den Verbrauch industrieller Gas-Verbraucher und erarbeitet mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) Kriterien, nach denen im Ernstfall entschieden werden müsste. Eine konkrete Abschalt-Reihenfolge gibt es derzeit nicht.

Notfallplan: Bisher zum Glück nur Theorie

Ob der Notfallplan in der Praxis aufgehen würde, kann derzeit niemand mit Sicherheit sagen. Denn in der Praxis mussten die theoretischen Szenarien – zum Glück – bisher noch nicht umfassend umgesetzt werden. Wie groß die wirtschaftlichen Folgeschäden im Ernstfall wären, wer wirklich wieviel Gas benötigen würde – diese Fragen werden – hoffentlich – offenbleiben.



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